Im Dezember 2015 galten im Sinne des Sozialgesetzbuches 2,86 Millionen Menschen als pflegebedürftig. Dies waren 234.000 mehr (+8,9 Prozent) als noch im Dezember 2013. Bis zum Jahr 2030 rechnen Experten mit 3,4 Millionen Menschen, die auf Pflege durch Dritte angewiesen sind.
Vor diesem Hintergrund sind zwei Dinge nicht verwunderlich:
- Zum einen wird die private Pflegevorsorge mindestens so wichtig wie die private Altersvorsorge.
- Zum anderen hat sich rund um die Pflege eine regelrechte Industrie in Form von Pflegeheimen, betreutem Wohnen und ambulanten Pflegediensten entwickelt.
Einige Statistiken
Wie sich die Aufteilung nach einzelnen Pflegestufen und Art der Pflege im Dezember 2015 darstellte, zeigt die folgende Übersicht:
Es ist selbstverständlich, dass die Zahl der Pflegebedürftigen mit zunehmendem Alter steigt. Dies belegt auch diese Grafik:
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es in der Altersgruppe der bis zu 15Jährigen per 31.12.2015 immerhin 80.935 Pflegebedürftige gab. In der Gruppe der 15 – 60Jährigen waren 305.349 Personen auf Pflege angewiesen.
Was ist Pflege?
Um sich ausführlich und differenziert mit dem Thema „Pflege“ auseinanderzusetzen, muss natürlich die Frage beantwortet werden, „was ist Pflege?“ Eine grobe Vorstellung hat jeder, aber der Gesetzgeber und die Medizin sehen innerhalb der Begrifflichkeit „Pflege“ durchaus noch einige Facetten.
Weltweit haben sich Pfleger im „International Council of Nurses“, ICN, zusammengeschlossen. Die Präambel zum Kodex des Verbandes definiert Pflege wie folgt:
„Pflegende haben fünf grundlegende Aufgaben:
- Gesundheit zu fördern,
- Krankheit zu verhüten,
- Gesundheit wiederherzustellen,
- Leiden zu lindern.
- Achtung vor dem Leben und vor der Würde des Menschen
Definition
Die Definition für Pflege selbst lautet, Pflege sei die Planung, Organisation, Durchführung von Grund- und Behandlungspflege unter Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit des Menschen. Pflege gilt nicht nur als soziale Dienstleistung am Menschen, sondern auch als interdisziplinäre Disziplin.
Dies wird deutlich, wenn man einen Blick auf die zahlreichen Schnittstellen im Rahmen von Pflege wirft:
- Krankenhäuser
- Altenpflege
- Ambulante Pflege
- Ärzte
- Physiotherapie
Die juristische Definition zur Pflege findet sich in § 14 des Sozialgesetzbuches XI:
„Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.“
Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
Zum 1. Januar 2017 fand eine Reformierung der Leistungseinstufung im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung statt. Die drei Pflegestufen wurden zusätzlich in fünf Pflegegrade unterteilt.
Pflegegeld
Pflegegeld bezeichnet die Zahlungen der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege durch Angehörige. Pflegesachleistungen werden zwar auch für die häusliche Pflege erstattet, allerdings nur bei Inanspruchnahme eines professionellen Pflegedienstes. Ab Pflegegrad vier greifen Sachleistungen auch bei Heimunterbringung.
Herausforderungen der Pflege in Deutschland
Die Pflege in Deutschland steht im wesentlichen vor zwei Herausforderungen:
- Zum einen bedarf es ungeheurer finanzieller Mittel für die Angehörigen, wenn es in der Familie einen Pflegefall gibt.
- Zum anderen ist die Personaldecke sowohl in den Pflegeheimen als auch bei den ambulanten Pflegediensten zu dünn, um der Aufgabe vollumfänglich, sprich auch mit individueller Betreuung gerecht zu werden.
Während die privaten Haushalte vor der Herausforderung der Finanzierbarkeit der eigenen Pflege oder der der Angehörigen stehen, gilt seitens der Anbieter dieser Dienste die Frage nach Personal. Die Mehrzahl der in der Hauskrankenpflege Beschäftigten rekrutiert sich aus 450-Euro-Kräften.
Die Angebot an Jobs in der Pflege bei den großen Arbeitsvermittlungsplattform zeigt, wie groß die Nachfrage im Pflegesektor bundesweit ausfällt, es gibt tausende offene Stellen.
Im Jahr 2015 waren in der ambulanten Pflege 344.000 Personen beschäftigt, davon 246.000 auf Teilzeitbasis oder als geringfügig Beschäftigte (Quelle: Destatis, Beschäftigung im Gesundheitswesen).
Die knappen Mittel der gesetzlichen Pflegeversicherung führen dazu, dass der Beruf „Alten- oder Krankenpfleger“ hinsichtlich der Bezahlung, aber auch der Arbeitsbedingungen, alles andere als attraktiv erscheint. Eine deutliche Aufstockung der Bezahlung könnte dazu führen, dass sich mehr Personen für diese Tätigkeit entscheiden und es damit zu einer personellen Entspannung im Pflegesektor käme. Leider stehen die Vorzeichen dafür jedoch, wie in allen sozialen Berufen, schlecht.
Pflege als Geldanlage
Der Pflegenotstand in Deutschland ist kein Schreckgespenst, sondern bittere Realität. Daraus hat sich eine neue Anlageklasse entwickelt: Pflegeimmobilien. Dabei handelt es sich um Eigentumswohnungen in einer Seniorenwohnanlage, welche von den Investoren an Pflegeheimbetreiber vermietet werden. Sie haben sich inzwischen zum Renner unter Kapitalanlegern entwickelt. Wohnanlagen, welche vom autonomen Wohnen bis zur Vollversorgung das gesamte Spektrum abdecken, sprießen bundesweit aus dem Boden.
So sinnvoll solche Einrichtungen sind, die Kehrseite der Medaille sind die Mieten oder Kaufpreise. In Brandenburg an der Havel betrug der Kaufpreis für eine 44qm-Zweizimmerwohnung 127.000 Euro. In Bad Soden am Taunus beläuft sich nur die Miete für eine 28qm-Wohnung in der Variante, die keine zusätzlichen Leistungen im Pflegesegment vorsieht, auf 1.434 Euro kalt im Monat.
Kosten für stationäre Pflege
Bezüglich der Kosten gilt nach wie vor der alte Spruch „Kinder haften für ihre Eltern“. Die Leistung aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bei Heimunterbringung in der Pflegestufe III mit Pflegegrad 5 beträgt maximal im Härtefall 2.005 Euro, normal 1.995 Euro. Dem stehen jedoch Heimkosten gegenüber, die deutlich höher liegen, aber auch regional unterschiedlich ausfallen.
Liegen die oben genannten Kriterien zugrunde, berechnet beispielsweise die Caritas in Frankfurt am Main am Tag 164,87 Euro, im Monat April wären 4.961,10 Euro an Heimkosten zu entrichten. Dies bedeutet einen Eigenanteil von 3.000 Euro aus dem Vermögen der Familie.
Der gleiche Träger kalkuliert in Frankfurt an der Oder nur mit 1.443,90 Euro Eigenanteil, der Hälfte. Diese Zahlen machen jedoch grundsätzlich deutlich, weshalb der Gesetzgeber sehr darauf drängt, dass die Bürgerinnen und Bürger entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen und diese auch fördert.
Staatlich geförderte Pflegeversicherung
Im Rahmen von „Pflege-Bahr“, der gesetzlich geförderten privaten Pflegezusatzversicherung, bezuschusst der Bund die Versicherungsprämie mit 60 Euro im Jahr, sofern der Eigenanteil der versicherten Person 120 Euro jährlich ausmacht. Die geförderten Verträge setzen darüber hinaus
- Eine Annahmepflicht durch den Versicherer
- Einen Wegfall der Gesundheitsfragen
- Eine maximale Wartezeit von fünf Jahre
- Eine Geldleistung von mindestens 600 Euro im Monat in der Pflegestufe II
voraus.
Schonvermögen der Kinder
Sozialämter greifen erst unterstützend ein, wenn sowohl das Vermögen des Pfleglings als auch das Vermögen der Kinder bis auf den Schonbetrag aufgebraucht ist. Das Schonvermögen der Kinder ermittelt sich aus folgender Formel 5 Prozent des Bruttojahreseinkommens über alle Jahre der Berufstätigkeit geteilt durch zwölf. Diese Zahl wird allerdings noch um
- Unterhaltszahlungen an eigene Kinder
- Kreditraten
- Eigene Altersvorsorgeaufwendungen
bereinigt. Der maximale Betrag, der für den Elternunterhalt berechnet wird, beträgt monatlich 1.800 Euro (Stand April 2017).
Begrifflichkeiten
Pflege ist nicht gleich Pflege
Vor der stationären Pflege bei Pflegegrad vier oder fünf greift in der Regel zunächst die ambulante Pflege zu Hause. Häufig wird diese zunächst von Angehörigen umgesetzt, bevor ein Pflegedienst in Anspruch genommen wird.
Wir wollen an dieser Stelle einmal aufzeigen, welche unterschiedlichen Arten von Pflege es gibt und was sich hinter den Begrifflichkeiten verbirgt:
Ambulante Pflege
Die ambulante Pflege stellt den Einstieg in die Pflege dar und erfolgt in der Wohnung des zu Pflegenden. Die Tätigkeit wird von ambulanten Pflegediensten oder Angehörigen ausgeübt.
Stationäre Pflege
Ab Pflegegrad vier kann eine stationäre Pflege in einem Pflegeheim erfolgen.
Grundpflege
Die Grundpflege stellt die hygienischen Rahmenbedingungen des Patienten sicher und umfasst beispielsweise Baden oder Duschen.
Behandlungspflege
Im Rahmen der Behandlungspflege erfolgt auch eine medizinische Basisversorgung, unter anderem das Verabreichen von Spritzen.
Verhinderungspflege
Die Verhinderungspflege ist eine Pflegeleistung, die erbracht wird, wenn der Pfleger, ein Angehöriger, aufgrund von Urlaub, eigener Erkrankung oder Beruf selbst verhindert ist, die Pflegetätigkeit auszuüben.
Kurzzeitpflege
Die Kurzzeitpflege bezeichnet die zeitlich begrenzte stationäre Pflege, wenn beispielsweise eine häusliche Pflege für einen bestimmten Zeitraum nicht sichergestellt werden kann oder ausreichend ist.
Palliativpflege
Bei der Palliativpflege handelt es sich für die pflegende Person um die herausfordernste Pflege. Sie bedeutet eine Form von Sterbebegleitung todkranker Menschen und kann sowohl ambulant als auch stationär umgesetzt werden.
Seniorenbetreuung
Pflege muss nicht immer körperliche Unterstützung bedeuten. Seniorenbetreuung zielt zum einen auf persönliche Gespräche mit dem Senior oder der Seniorin ab, kann aber auch eine 24-Stunden-Betreuung bedeuten.
Die Alltagsbegleitung zielt auf eine sehr spezielle Form der Pflege ab. Der Alltagsbegleiter oder Betreuungsassistent unterstützt Personen mit Demenzerscheinungen oder Patienten mit psychischen Erkrankungen.
Pflegeberatung
Die Pflege von Angehörigen ist nichts, was sich „nebenbei“ arrangieren lässt. Sie setzt von Beginn an auch den vollen mentalen Einsatz der Pfleger voraus. Im Rahmen der Pflegeberatung erfahren pflegende Angehörige alles rund um das Thema Hauspflege, erhalten aber auch rechtliche Hinweise, beispielsweise auf den Anspruch auf Urlaub von der Pflegetätigkeit.
Urlaub von der Pflege
Die Pflege von Angehörigen stellt nicht nur physisch, sondern auch psychisch eine Belastung für die Pflegenden dar. Vor diesem Hintergrund räumt der Gesetzgeber pflegenden Angehörigen das Recht ein, „bezahlten“ Urlaub von der Pflegetätigkeit zu nehmen.
Ist der Pflegling in Pflegestufe II eingestuft und erfolgte die Pflege durch die Angehörigen in den letzten sechs Monaten, besteht Anspruch auf „Verhinderungspflege“. Die Pflegeversicherung übernimmt die Kosten von bis zu 1.612 Euro, wenn die Ersatzpflege nicht durch Personen in häuslicher Gemeinschaft oder Verwandten des zweiten Grades übernommen wird. Wird die Verhinderungspflege durch enge Verwandte oder Mitbewohner ausgeübt, leistet die Pflegeversicherung nur das bisherige Pflegegeld.
Kommt es zu einer zeitlich begrenzten Pflege in einem Pflegeheim, können bis zu 806 Euro an Leistungen aus der Verhinderungspflege für die Kurzzeitpflege verwendet werden.