Gliedert man einmal die Zahlen der 2,8 Millionen Pflegebedürftigen nach Art der Pflege auf, wird sofort schlüssig, weshalb der Markt der ambulanten Pflegedienste boomt.
Das Gros der Pflegebedürftigen, 2,07 Millionen, werden zu Hause versorgt. Davon werden 1,38 Millionen ausschließlich von Angehörigen, 692 Tausend in Kooperation mit einem Pflegedienst betreut. Bei den zu Hause versorgten Personen waren im Jahr 2015 in der Pflegestufe I 64,2 Prozent eingeordnet. In der Pflegestufe II waren es 27,9 Prozent und in der Pflegestufe III immerhin 7,9 Prozent.
Ist-Situation der ambulanten Pflege
Trotz der ständig wachsenden Zahl an ambulanten Pflegediensten, die Zahl der Anbieter stieg von 11.500 Unternehmen im Jahr 2007 auf 13.300 im Jahr 2015, besteht nach wie vor in Deutschland bei der ambulanten Pflege ein Notstand. Hintergrund dafür sind allerdings auch die absurd kurzen Zeiträume, welche das Pflegepersonal für die Ausübung seiner Tätigkeit bei den Patienten hat.
In einer Langzeitstudie will die Universität Gießen dokumentieren, wie groß der Zeitaufwand tatsächlich ist, um bei dem Dialog zwischen Ersatzkassen und Pflegediensten Fakten zu liefern. Aus der aktuellen Situation leitet sich auch ab, dass die Bezahlung der Pflegedienstmitarbeiter zwangsläufig relativ niedrig ausfällt, da die Kassenleistungen entsprechend niedrig angesetzt sind.
Die Aufteilung in der ambulanten Pflege zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitsplätzen spricht für sich. Von den im Jahr beschäftigten 344.000 Mitarbeitern übten 246.000 Arbeitnehmer ihre Tätigkeit als Teilzeit- oder Minijobkräfte aus.
Eine Studie aus dem Jahr 2017 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeichnet jedoch ein düsteres Bild bei der Pflegeversicherung. Bis zum Jahr 2030 sehen die Experten eine Finanzierungslücke von 36 Milliarde Euro auf die gesetzliche Pflegeversicherung zukommen. Dieser Umstand wird das Gehaltsgefüge in der Branche vermutlich nicht verbessern.
Leistungen der Pflegeversicherung bei ambulanter Pflege
Für Angehörige, die ihre Familienmitglieder selbst versorgen, stellt sich natürlich die Frage, welche Leistungen sie von der gesetzlichen Pflegeversicherung erwarten können.
Die Leistungen orientieren sich daran, ob sie ein Pflegegeld in Anspruch nehmen möchten, oder bei Kooperation mit einem Pflegedienst lieber über die Sachleistungen abrechnen. Die Unterschiede, nicht nur bei den einzelnen Pflegeeinstufungen, sind enorm:
Während das Pflegegeld zur freien Verfügung gezahlt wird, rechnet die Pflegeversicherung bei den Sachleistungen auf der Grundlage des Pflegeberichtes der jeweiligen betreuten Person ab.
Wer auf das Pflegegeld setzt, aber dennoch mit einem Pflegedienst kooperieren möchte, sollte eine Pflegebratung wahrnehmen. Gerade bei niedrigen Pflegestufen lassen sich hier die Kosten nachhaltig senken. Die Pflegeberatung, sei es durch die Pflegeversicherung, sei es durch eine öffentliche oder karitative Einrichtung, kennt zum Beispiel Organisationen, die mit ehrenamtlichen Helfern arbeiten. Diese sind deutlich günstiger als ein privater Pflegedienst.
Ambulante Pflege oder Pflegeheim?
Bei den unteren Pflegestufen stellt sich diese Frage eher nicht. Der betroffene Personenkreis kommt, sofern es sich nicht um Demenz- oder Alzheimerpatienten handelt, noch recht gut in den eigenen vier Wänden zurecht. In vielen Fällen wollen die Patienten auch gar nicht in eine stationäre Pflege übergeleitet werden.
Die ambulante Pflege hat den Vorteil, dass die Teilhabe am Leben noch deutlich intensiver ausfällt, als bei einer stationären Unterbringung. Pflegenotstand, das „zu wenig an Zeit“ für den einzelnen Patienten aufgrund Personalmangels, findet sich nicht nur in der ambulanten Pflege. Er ist fester Bestandteil bei der stationären Unterbringung. Für viele Familien ist es auch schlicht eine finanzielle Frage, die ambulante Pflege umzusetzen.
Entlastung für pflegende Angehörige
Fast jeder kennt in seinem Umfeld Personen, die Angehörige pflegen, wenn er nicht selbst in dieser Situation ist. Folglich weiß auch jeder, welche psychische und physische Belastung diese Aufgabe mit sich bringt. Der Gesetzgeber sieht hier zwei Optionen, welche der Entlastung der Angehörigen dienen sollen.
Zum einen besteht die Option zur Verhinderungspflege. In den meisten Fällen, sofern keine eigene Erkrankung die Ursache ist, bedeutet dies schlicht Urlaub von der Pflege. Wer einen Angehörigen mindestens sechs Monate am Stück pflegte, kann für 42 Tage einen Pflegedienst in Anspruch nehmen. Die Pflegeversicherung erstattet dafür bis zu 1.612 Euro im Jahr.
Neben der klassischen ambulanten Versorgung bietet sich aber noch eine weitere Alternative an. Alltagsbegleiter nehmen keine klassischen ambulanten Pflegedienstaufgaben wahr, sondern kümmern sich einfach um den Patienten. Dies kann in Form von Vorlesen, Spazierengehen oder durch Gespräche erfolgen. Die Pflegeversicherung erstattet die Inanspruchnahme eines Alltagsbegleiters auch auf Stundenbasis, wenn die pflegenden Angehörigen einfach einige Stunden Auszeit benötigen. Wichtig ist jedoch, dass die Kostenübernahme im Vorfeld mit der Pflegeversicherung abgestimmt wurde.
Ambulante Pflege (fast) alternativlos
Vor dem Hintergrund fehlender Pflegeplätze in der stationären Unterbringung und den enormen Kosten, die auf die Angehörigen zukommen, bleibt die ambulante Pflege fast ohne Alternativen. Wer davon ausgeht, dass er später selbst einmal Pflege benötigt, dabei aber einen möglichst hohen Standard genießen will, kommt um den Abschluss einer zusätzlichen privaten Pflegeversicherung nicht umhin. Dies gilt auch in Hinblick auf die ambulante Versorgung in den eigenen vier Wänden, beispielsweise durch eine 24-Stunden-Kraft. Mit Einführung der staatlich geförderten Zusatzversicherung hat auch der Gesetzgeber eingeräumt, dass Betroffene mehr Geld benötigen, als die gesetzliche Pflegeversicherung für den Einzelnen bereitstellen kann.